Kann man Fehlhaltungen ausgleichen?
Immer wieder höre ich, dass die eigene Anatomie und die Fehlhaltungen die Ursache für die Rückenbeschwerden ist. Entweder sprechen die Leute von ihrer Beckenfehlstellung, die weiterhin die Ursache dafür sein soll, dass ein Bein länger ist als das andere. Oder sie erwähnen beispielsweise ihre Skoliose, also Wirbelsäulenverkrümmung.
Diese Fehlhaltungen werden zumeist als angeboren und nicht korrigierbar hingestellt. Ja. Es gibt tatsächlich angeborene anatomische Fehlstellungen, dies möchte ich nicht bestreiten.
Jedoch bezweifele ich, dass auf einmal ein Bein länger ist als das andere, nur weil eine Beckenfehlstellung vorliegt. Natürlich entsteht eine Beinlängendifferenz durch eine solche Fehlstellung, die sich darin wiederspiegelt, dass ein Bein länger zu sein SCHEINT als das andere. Gleiche ich jedoch diese Fehlstellung aus, sind plötzlich beide Beine gleich lang.
Die meisten Fehlhaltungen, denen man begegnet sind nicht angeboren. Sie sind antrainiert.
Wenn man sich beispielsweise die heutige Jugend anschaut – und nicht nur die – , Menschen, die ständig vor dem Computer sitzen oder am Smartphone herumzappen. All diese Menschen haben Fehlhaltungen. Da wäre beispielsweise die Verschiebung des Kopfes aus der senkrechten Linie nach vorne hin zu nennen, gefolgt von hochgezogenen Schultern, die darüber hinaus auch gerne etwas nach vorne geschoben sind.
Kann dies gesund sein?
Ich glaube nicht daran, dass man diese antrainierten, anatomischen Fehlhaltungen nicht wieder ausgleichen kann.
Ausgleichen kann man diese Fehlhaltungen, denn der Körper ist „nur“ aus dem Gleichgewicht geraten. An der einen Stelle ist zu viel Spannung und an der anderen wiederum zu wenig. Dies führt unter anderem zu muskulären Dysbalancen und Verspannungen.
Wissenschaftler haben herausgefunden, dass man durchschnittlich 1000 Wiederholungen braucht, um eine Bewegung zu automatisieren. Man braucht allerdings durchschnittlich 3000 Wiederholungen, um eine falsch gelernte Bewegung wieder zu korrigieren. Je älter eine falsch antrainierte Bewegung oder Haltung nun ist, umso länger werde ich wahrscheinlich auch benötigen, um diese Fehlhaltung oder falsch ausgeführte Bewegung zu korrigieren. Hier bedarf es einem wohldosierten Training, einer Ausdehnung der Fehlspannungen, einem Ausgleich der muskulären Dysbalancen und Achtsamkeit auf den Körper und seine Position.
Wie häufig haben wir als Kind gehört: „Steh aufrecht“ oder „Stell dich doch mal gerade hin!“. Dies sollten wir eigentlich nie vergessen, denn ich wage zu behaupten, dass eine hohe Prozentzahl an Leuten, denen man die Aufgabe gibt sich aufrechter hinzustellen, bei der Durchführung auf einmal um einige Zentimeter wachsen. Diese aufrechtere Position scheint im ersten Moment sich vielleicht komisch anzufühlen, was ja auch mehr als verständlich ist, wird man doch auf einmal aus seiner Komfortzone herausgezogen. Aber dieser aufrechte Stand sollte das Ziel eines jeden Trainings sein. Jedoch sanft und vorsichtig dosiert sollte dies geschehen. Mit Spaß und Achtsamkeit, denn weitere Beschwerden sind vorprogrammiert, wenn man auf einmal eine 360° Drehung durchführt, die nur in weiteren Verspannungen und Unwohlsein bis hin zu (mehr) Beschwerden führt.
Ich behaupte also, dass die meisten Fehlhaltung die Ursache eines falschen Verhaltens oder eines falschen Trainings sind.
Ich behaupte weiterhin, dass man dies ausgleichen kann! Man muss „nur“ die echte Ursache der Fehlhaltungen erkennen und wie ein Bildhauer in vielen kleinen Schritten den Körper so formen, wie man es sich wünscht.
Den Körper wieder ins Gleichgewicht bringen. Das ist das Ziel!